Chat
Grasser Prozess 1
3rd & 7 37yd
3rd & 7 37yd
B
S
O
close
close

-





-
-
Dietrich macht chronologisch weiter - und zwar mit dem Villa-Esmara-Verfahren. Zur Erinnerung: Hohenecker hatte in diesem Verfahren in erster Instanz nicht über den im jetzigen Grasser-Prozess mitangeklagten Ex-Immofinanz-Chef Karl Petrikovics geurteilt. Der Grund: Petrikovics war damals "stationär im Krankenhaus", wie sein Verteidiger sagt. Sprich: Er war verhandlungsunfähig. Der von ihr verurteilte Mitangeklagte legte gegen das Urteil Rechtsmittel ein, es wurde aufgehoben und eine andere Richterin, Caroline Csarmann, wurde in erster Instanz neu für den Mitangeklagten zuständig. Petrikovics aber blieb in der Zuständigkeit von Hohenecker.
-
-
-
Petrikovics-Anwalt Dietrich kritisiert, dass seinem Mandanten "falsche Feststellungen" unterstellt wurden - und die seien im Urteil gegen seinen einstigen Mitangeklagten im Villa-Esmara-Prozess. Und dies: "Ohne Dr. Petrikovics im Gerichtssaal vernommen zu haben." Es geht um Befugnismissbrauch.
-
Petrikovics sei folglich von Richterin Hohenecker "beurteilt" worden, ohne anwesend zu sein und ihm sei so "ein wissentlicher Befugnismissbrauch unterstellt" worden. Dietrich beantragt deshalb, dass dieses Urteil beigeschafft werde, denn die Richterin habe sich folglich bereits eine Meinung über Petrikovics gebildet.
-
Ex-Finanzminister Grasser tippt übrigens in sein Smartphone, während Petrikovics-Anwalt Dietrich seinen Vortrag fortsetzt. Grassers Anwälte, Wess und Ainedter, unterhalten sich flüsternd. Auch Grasser-Trauzeuge Meischberger hat sich kurz zu seinem Anwalt umgedreht.
-
Anwalt Dietrich ist davon überzeugt, dass Richterin Hohenecker das erste Verfahren gegen Petrikovics zur Neuausschreibung hätte geben müssen. Folglich: Einräumen, dass ein anderer Richter hätte zugeteilt werden müssen. Und: Auch das jetzige Verfahren, sprich der Buwog-Prozess, hätte nicht in den Zuständigkeitsbereich Hoheneckers fallen dürfen.
-
Anwalt Dietrich entschuldigt sich nun bei den Schöffen, dass er sich "so technisch" ausdrücke. Aber, so rechtfertigt er sich, der Oberste Gerichtshof sei hier sehr genau. Er erklärt es trotzdem noch einmal in einfach Worten: Wie schon Anwaltskollege Rohregger zuvor ausgeführt habe, sei das Buwog-Verfahren "auf Biegen und Brechen" zu Hohenecker geschoben worden.
-
Ein weiterer Kritikpunkt: Richterin Hohenecker habe einen Verhandlungstermin für das Vila-Esmara-Verfahren kurzfristig abberaumt, folglich abgesagt. Und zwar ohne Angabe von Gründen. Damit habe sie gegen den Vorsatz verstoßen, dass "zügig" verhandelt werden müsse. Dietrich vermutet, dass Hohenecker das getan habe, um sich auf den jetzigen Grasser-Prozess vorbereiten zu können. Aber: "Meinem Mandanten wurde so das faire Verfahren vorenthalten, das die Verfassung und die Europäische Menschenrechtskonvention voraussetzen." Er beantrage daher die Führung des Verfahrens ohne Hohenecker.
-
"Es geht auf keinen Fall an, dass ein Gericht zwingende Vorschriften einmal so und einmal so anwendet und das zum Nachteil des Angeklagten", sagt Dietrich. Jedem objektiven Beobachter leuchte ein, dass ein unvoreingenommenes Verfahren so nicht gewährleistet sei. Denn, so wiederholt der Anwalt noch einmal: Das Villa-Esmara-Verfahren, das für den 4. Mai 2017 angesetzt worden war, sei von Hohenecker ohne jeden "sachlichen Grund" kurzfristig abberaumt.
-
-
-
-
-
Grasser-Anwalt Ainedter steht auf und bekundet, er schließe sich den Anträgen seiner Kollegen an und er weist darauf hin, dass sich ein von der Staatsanwaltschaft vorgesehener Zeuge im Saal befindet. Hohenecker nimmt das zur Kenntnis, zuckt mit den Schultern und lässt es im Protokoll vermerken. Den Saal verlassen muss der Zeuge nicht.
-
-
-
Oberstaatsanwalt Marchart bezieht sich auf die Ausführungen des Präsidenten des Straflandesgerichts aus der Vorwoche, der eine etwaige Befangenheit der Richterin ausgeschlossen habe. Auch der Oberste Gerichtshof habe keine Befangenheit erkannt und Hohenecker für zuständig erklärt.
-
-
-
Richterin Hohenecker will eine kurze Pause machen. Grassers zweiter Anwalt Wess will aber noch "ganz kurz" etwas sagen. Hohenecker bittet um Wraten, denn Oberstaatsanwalt Marchart antwortet nun doch noch auf Dietrichs Einwurf. Dieser habe nicht Recht, ist marchart überzeugt.
-
-
Zwischenfazit
Der erste Verhandlungstag im Korruptionsprozess gegen den früheren Finanzminister Karl-Heinz Grasser und 14 weitere Angeklagte begann mit der Überprüfung der Personaldaten der Beschuldigten – und mit einer ganzen Reihe von Ablehnungs- bzw. Befangenheitsanträgen gegen die zuständige Richterin Marion Hohenecker.
Der Reihe nach: Zunächst musste Grasser in den Zeugenstand. Er bestätigte sein Geburtsdatum, den 2. Jänner 1969, sowie seine familiären Verhältnisse. Nur zu seinem finanziellen Vermögen und Verdienst machte er keine Angaben. Er habe also kein Auto, kein Haus, sagte darauf die Richterin. Grasser bestätigte das. Sehr wohl Auskunft über seine monetäre Lage gab indes der mitangeklagte Ex-Immofinanz-Chef Karl Petrikovics. Er verdiene 120 Euro netto im Monat, meinte er. Nicht im Große Schwurgerichtssaal erschienen war hingegen der mitangeklagte frühere Chef der RLB OÖ, Ludwig Scharinger. Er ist laut Gerichtsgutachten verhandlungsunfähig.
In mannigfacher Ausführung eingetroffen waren dafür die Schöffen. Eigentlich bräuchte es zwei Schöffen und einen zweiten Berufsrichter neben Hohenecker, um Österreichs bislang größten Korruptionsprozess durchzuführen. Aber, aufgrund der anzunehmenden Länge, wurden sicherheitshalber gleich zwölf Schöffen vereidigt – es könnte ja einer krank werden.
Nach den Formalitäten folgten etliche Anträge seitens der Verteidigung. Ihnen allen gemein war die Botschaft: Hohenecker sei nicht zuständig, sei befangen.
Besonders bildlich machte das Grasser-Anwalt Manfred Ainedter, indem er ein Video von einem „Tatort“ einspielen ließ, über das Hoheneckers Ehemann sich auf Twitter geäußert hatte – es geht darin um mehrere Morde – und zwar in Zusammenhang mit Grasser. Auch weitere Tweets wurden auf die große weiße Leinwand oberhalb der Richterbank projiziert, in denen sich der Ehemann (selbst Strafrichter in Korneuburg) abfällig über Grasser äußerte. Ainedter zeigte sich überzeugt, dass Marion Hohenecker von ihrem Mann und dessen „feindseliger Haltung“ gegenüber dem Ex-Minister beeinflusst werde. Ähnlich argumentierten anschließend auch die Anwälte des mitangeklagten Lobbyisten Walter Meischberger und des Immobilienmaklers Ernst Karl Plech.
Man werfe Hohenecker ja nicht ihre Ehe vor, nicht, dass sie "Tisch und Bett" mit ihrem einstiger Ausbildungsrichter teile, so der Tenor. Aber: Man unterhalte sich nunmal und lasse sich von den Menschen, die einem am nächsten stehen würden, eben beeinflussen. Auch, wenn man ihr ihre Integrität nicht absprechen wolle, so ergebe sich "für objektive Außenstehende" doch ein befangenes Bild.
Zuletzt holte der Verteidiger von Ex- Immofinanz-Chef Karl Petrikovics, Otto Dietrich zum verbalen Schlag gegen die Richterin aus. Sie hätte sich gegenüber seinem Mandanten im Villa-Esmara-Verfahren falsch verhalten. In diesem hätte sie in erster Instanz über Petrikovics urteilen sollen, dann war dieser aber verhandlungsunfähig. Nun habe sie auch in der Causa Buwog über ihn zu richten, das sei unzulässig, habe sie doch ein vorgefertigtes Bild über ihn. Außerdem habe die Richterin einen für 4. Mai 2017 anberaumten Villa-Esmara-Verhandlungstermin einfach abgesagt – ohne Angabe sachlicher Gründe. Dietrich: „Meinem Mandanten wurde so das faire Verfahren vorenthalten, das die Verfassung und die Europäische Menschenrechtskonvention voraussetzen.“
Oberstaatsanwalt Alexander Marchart entgegnete dem, mit Verweis auf Entscheidungen des Straflandesgerichts Wien aus der Vorwoche und der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs von gestern, dass Hohenecker sehr wohl zuständig und nicht als befangen anzusehen sein.
Das Gericht – Schöffen und Berufsrichter – zogen sich daraufhin zur Beratung zurück. Um 14 Uhr soll die Verhandlung fortgesetzt werden. -
Der Große Schwurgerichtssaal musste während der Unterbrechung der Verhandlung verlassen werden. Nun dürfen alle wieder Platz nehmen, das Gericht sollte jeden Moment von seinen Beratungen zurückkehren. Noch fehlen aber nicht nur die beiden Berufsrichter und die Schöffen, sondern auch die Angeklagten samt ihrer Anwälte.
-
-
Um Ihnen, liebe Leser, die Wartezeit ein wenig zu verkürzen, darf ich Ihnen nochmal unser [premium]-Dossier zum "Grasser-Prozess" auf die Bildschirme (und ans Herz) legen. Hier der Link dorthin. Sie finden dort Kurzporträts der 15 Angeklagten samt aller ihnen angelasteten Vorwürfe (und diese erklärt). Weiters einen ausführlichen Artikel über die Person Karl-Heinz Grasser. Außerdem beschreiben wir die Anfänge der Causa Buwog und der Affäre Terminal Tower, beantworten die Frage: Was ist da eigentlich mit der Richterin los? Und: Was wurde eigentlich aus Buwog und Terminal Tower? Weiters gibt es eine Art Leitfaden für Angeklagte, der diesen erklärt, welches Verhalten sich vor Gericht wie auf die Urteilsfindung auswirkt. Ich hoffe, Sie haben Freude daran - und jetzt höre ich mit der Eigenwerbung auch schon auf.
Wer es lieber kürzer mag, ein paar Einträge weiter unten gibt es das Zwischenfazit vom bisherigen ersten (halben) Verhandlungstag zum Nachlesen. -
Liebe Leser, leider muss noch immer gewartet werden. Die Schöffen und die beiden Berufsrichter (darunter Prozessleiterin Marion Hohenecker) beraten nach wie vor über die, von der Verteidigung eingebrachten Ablehnungs- bzw. Befangenenanträge. Kurz zur Erklärung: Mehrere Anwälte sehen die Richterin als nicht zuständig an (weil sie schon in einem anderen Verfahren über Ex-Immofinanz-Chef Petrikovics zu entscheiden hat - deswegen bekam sie überhaupt erst das Buwogverfahren - und daher voreingenommen sei, lautet der Vorwurf) bzw. befinden sie als befangen, weil ihr Ehemann, der Strafrichter Manfred Hohenecker, auf Twitter abwertend über Grasser und Co. gezwitschert hat.
-
-
-
-
-
-
"Die Anträge auf Ablehnung der Richterin wegen des Anscheins der Befangenheit werden abgelehnt", sagt Hohenecker. Denn: "Es entspricht nicht dem Zeitgeist einer Richterin die Meinung des Ehemanns kritiklos umhängen zu wollen." Vielmehr entscheide sie auf Basis eines "fairen, objektiven Beweisverfahrens".
-
-
-
-
Damit ist nun Grassers zweiter Anwalt, Norbert Wess, dran. Er beantragt den Ausschluss von Beamten des Bundeskriminalamtes von der Anwesenheit im Verfahren. Denn: Die Beamten würden später als Zeugen geladen werden; hörten sie nun zu, so sei die "volle Unvoreingenommenheit der Zeugen" nicht gewährleistet. Weiters wird der Ausschluss eines Journalisten beantragt.
-
-
-
Dem Antrag, dass ein Journalist aus der Verhandlung ausgeschlossen wir,d wird stattgegeben - er hatte sich intensiv mit der Causa Buwog auseinandergesetzt. Als er, Ashwien Sankholkar, den Saal verlässt, spricht er von einem "Angriff auf die Pressefreiheit".
-
-
Plech-Anwalt Rohregger stellt nun einen neuen Antrag - und zwar auf Änderung der Sitzordnung im Saal. So, wie diese heute geregelt sei, entspreche das nämlich "sicher nicht" der Verfahrensordnung. Er meint damit: Dass Verteidiger hinter ihren Angeklagten sitzen müssen, folglich nur deren Rücken sehen. Außerdem: Schöffen, Staatsanwaltschaft und Berufsrichter sitzen erhöht, Angeklagte und Verteidiger in der "tiefsten Stelle des Saals". Das habe weiters zur Folge, dass Medienvertreter - die ebenfalls höher als die Verteidiger sitzen - die Unterlagen und die Laptopbildschirme der Verteidiger einsehen könnten.
-
-
-
-
Damit nicht genug: Es sei weiters erheblich, die Mimik und Gestik der jeweils Befragten sehen zu können - das sei nicht möglich. Denn, die Verteidiger könnten "die vollständige Körpersprache unmittelbar" nicht möglich - denn selbst die angebrachten Bildschirme würden die Befragten nicht gänzlich abbilden.
-
-
"Es stuft optisch und faktisch gegenüber allen anderen Verfahrensbeteiligten ab", sagt Rohregger. "Auf der einen Seite Richter und Staatsanwälte, auf der anderen Seite Angeklagte und Verteidigung", führt er weiter aus - das seien Fronten, die es nicht geben dürfte. "Durch diese Sitzordnung werden mehrere Rechte der Angeklagten und deren Verteidigern nicht eingehalten." Damit würden auch Menschenrechte (Fairnessgebot der EMRK) gebrochen.
-
-
Richterin Hohenecker erklärt, dass in der ersten Reihe die Angeklagten sitzen, dahinter die "ausgewiesenen Anwälte". Dahinter befänden sich in drei Reihen die Mitarbeiter der Verteidigung sowie die Beamten des Bundeskriminalamtes. Diese zählt sie nun ab - die meisten Plätze sind frei. "Soweit vom Senat erkenntlich befinden sich in den Händen der dort Sitzenden (gemeint sind die Mitarbeiter der Verteidigung, Anm.) keine Unterlagen, abgesehen von Notizbüchern", führt Hohenecker aus.
-
-
-
Während wir auf den Richtersenat warten, ein Lesetipp: "Karl-Heinz Grasser (vormals FPÖ, später ÖVP-nahe) ist also nicht das erste Ex-Mitglied der österreichischen Bundesregierung, bei dem der Richter das sprichwörtliche „Kappl“ aufsetzt", schreibt Kollege Manfred Seeh [premium] - und hat für Sie eine "unrühmliche Chronologie von Franz Olah bis Ernst Strasser" angefertigt.
-
Ein zweites, kurzes Zwischenfazit: Bisher wurden die Personaldaten der 15 Angeklagten abgefragt, wobei einer von ihnen - der frühere RLB OÖ-Chef Scharinger - nicht erschienen ist, weil verhandlungsunfähig. Seither hagelt es Anträge - die Richterin sei nicht zuständig, befangen, ein Journalist und Buchautor wurde ausgeschlossen. Der bislang letzte Antrag, über den gerade beraten wird, handelt von der Sitzordnung. Verteidigung und Angeklagte fühlen sich benachteiligt: Sie sitzen am "tiefesten Punkt des Saales", Medienvertreter könnten von oben in ihre Unterlagen und auf ihre Laptopbildschirme sehen. Außerdem sitzen die Anwälte hinter ihren Mandanten, von denen sie also nur den Rücken sehen. Und: Nur Staatsanwaltschaft, Schöffen und Richter(in) - die allesamt auf derselben Saalseite Platz genommen haben - könnten die jeweils im Zeugenstand Befragten gänzlich sehen. Die für die Verteidigung aufgestellten Übertragungsbildschirme würden hingegen die Geladenen nicht gänzlich abbilden. Das alles widerspreche dem Recht auf ein faires Verfahren. Die Verhandlung wurde unterbrochen, wir warten auf die Entscheidung des Senats.
-
-
-
-
-
-
Die "Presse" beendet damit an dieser Stelle ihre heutige Liveberichterstattung. In Kürze gibt es ein Fazit des ersten Verhandlungstages. Morgen, ab 9:30 Uhr, wird wieder getickert. Einstweilen: Vielen Dank für das Dabeisein und bis in ein paar Stunden!