Grasser Prozess 13

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Grasser Prozess 13

    Guten Morgen aus dem Grauen Haus, alias Wiener Landesgericht für Strafsachen. Heute, am 31. Tag des Korruptionsprozesses gegen Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser und 13 weitere Angeklagte, steht die Fortsetzung der Einvernahme von Walter Meischberger auf der Agenda von Richterin Marion Hohenecker. Meischberger bekannte sich bereits (wie alle Angeklagten mit Ausnahme des PR-Profis Peter Hochegger, der ein Teilgeständnis angelegt hat) „nicht schuldig“.

    Worum geht es? Die Anklage wirft Grasser und seinem Trauzeugen Meischberger (ehemals FPÖ-Bundesgeschäftsführer und Generalsekretär, mittlerweile laut Eigendefinition „strategischer Berater“) sowie den übrigen zwölf (unter anderem) Untreue vor.

    Die Oberstaatsanwälte Alexander Marchart und Gerald Denk argumentieren dies folgendermaßen: Grasser, Meischberger, der Hochegger und der Immobilienmakler Ernst Plech hätten sich die Provision aus dem Verkauf der rund 60.000 Bundeswohnungen im Jahr 2004, knapp zehn Millionen Euro, geteilt. Um an diese zu gelangen, hätten sie einen „Tatplan“ geschmiedet, der im Kern gelautet habe: an Privatisierungen mitschneiden. Um dieses Ziel zu erreichen, so der Vorwurf, habe Grasser Meischberger den Tipp gegeben, wie viel das Österreich-Konsortium (Immofinanz, Raiffeisenlandesbank Oberösterreich, Wiener Städtische) zumindest bieten müsse, um den Zuschlag zu erhalten. Außerdem soll er an der Erstellung einer falschen Immobilieninvestmentvereinbarung sowie eines gefälschten Kredit- und Treuhandvertrages beteiligt gewesen sein.

    Meischberger sagte nun gestern, Grasser habe seine Finger keineswegs im Spiel gehabt. Zwar hätte er, Meischberger, Grasser in dessen Zeit als Finanzminister sehr eng Berater – in politischen bzw. Marketingfragen, doch über die Buwog und Co. hätten sie nicht gesprochen. Die Information, in welcher Größenordnung das Konsortium bieten müsse, habe er vielmehr aus seinem „Netzwerk“ gehabt bzw. später, vor der zweiten, der entscheidenden Bieterrunde die konkrete Zahl – „mehr als 960 Millionen Euro“ – vom damaligen Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider (FPÖ) erzählt bekommen. 

    Die Provision für diese Leistung kassiert, so Meischberger weiter, hätten er (etwa 80 Prozent) und Hocheger (20 Prozent). Auf die Reise geschickt worden sei das Geld vom damaligen Immofinanz-Chef Karl Petrikovics (auch er sitzt auf der Anklagebank). Für die Abwicklung – über das Ausland, konkret die zypriotische Firma Astropolis – sei Hochegger zuständig gewesen. Überhaupt für jegliche (schriftlichen) Vereinbarungen. Um abwickeln zu können hätten vorab aber erst passende Projekte der Immofinanz „gefunden“ werden müssen. Eine einfache Rechnung mit dem wahren Leistungsinhalt habe er aus „Diskretion“ nicht gewollt. Sonst wäre womöglich eine Finanzprüfung gekommen, und das Ganze in den Medien aufgetaucht – was er wegen seiner „Nähe zu Grasser" nicht riskieren habe wollen. Denn: „Wie kommt der dazu, da hineingezogen zu werden?“

    So, genug von gestern, blicken wir uns im Jetzt um: Die Zuseherreihen auf der Galerie des Großen Schwurgerichtssaals beherbergen bereits erste Schaulustige. So mancher Anwalt hat den Weg in den denkmalgeschützten Saal ebenfalls bereits gefunden und legt Unterlagen und Laptop bereit. Der erste der insgesamt 14 Angeklagten (eigentlich 15, aber Ex-RLB OÖ-Chef Ludwig Scharinger gilt aus gesundheitlichen Gründen als verhandlungsunfähig), der den Saal betreten hat ist heute – anders als bisher beinahe üblich – nicht Ex-Immofinanz-Vorstand Christian Thornton, sondern der frühere RLB OÖ-Vorstand Georg Starzer.

    Wie schon angesprochen, wird heute mit der Einvernahme von Meischberger durch die Richterin weitergemacht. Der Angeklagte ist noch nicht im Saal erschienen, wohl aber sein Pflichtverteidiger Jörg Zarbl. Er bereitet gerade seine Dokumente vor. Hinter ihm in den Saal tritt nun Peter Hochegger, jener mitangeklagte, teilgeständige PR-Profi, den Meischberger zuletzt unterstellte, bei seiner "Läuterung" gelogen zu haben und einen "Deal mit der Staatsanwaltschaft" eingegangen zu sein, um "dem System zu entkommen".
    Gerade eingetroffen sind nun die beiden Oberstaatsanwälte Alexander Marchart und Gerald Denk. Und nun kommt auch Walter Meischberger, den die wartenden Fotografen und Kameraleute mit reihenweise "Klicks" empfangen, während er zwei Mappen und zwei Trinkflaschen - ein Coca Cola und ein Mineralwasser - auf den Tisch des Zeugenstandes legt.
    Es wird farbenfroh: Gerade schreitet Anwalt Michael Dohr in den Großen Schwurgerichtssaal. Er sorgte gestern für Staunen, als er in einem pinken Anzug samt pinker Krawatte und pinken Schuhen erschien. Heute hat er sich für eine andere, aber nicht weniger grelle Variante entschieden: hellgrün.
    Die Schöffen betreten den Saal, auch die übrigen Angeklagten kommen - als letzter, der Hauptangeklagte, der frühere Finanzminister Karl-Heinz Grasser. Alle erheben sich, Richterin Marion Hohenecker kommt durch die Türe und setzt die Verhandlung fort. Nicht anwesend, wie schon die Tage zuvor, ist der mitangeklagte Immobilienmakler Ernst Karl Plech - aus gesundheitlichen Gründen ist er entschuldigt.
    "Thematisch waren wir bei der Versteuerung", setzt Hohenecker an. "Kurz zusammengefasst, Sie haben gesagt, dass Dr. Hochegger mit der Immofinanz die Abrechnung besprochen hat. Sie haben gesagt, dass noch Projekte gesucht werden und dass das ein bis eineinhalb Jahre dauern wird." Meischberger bestätigt das.
    Nun präzisiert der Zweitangeklagte: "Ich ging natürlich davon aus, dass die gesamte Summe vom gesamten Konsortium (um Immofinanz, RLB OÖ, Anm.) bezahlt wird." Die Richterin: "Aber, was woher kam, konnte Ihnen doch egal sein." Meischberger: "Es war mir auch vollkommen egal." Ihm sei wichtig gewesen, dass das Geld letztlich fließe. Ansprechpartner sei weiterhin der damalige Immofinanz-Chef Karl Petrikovics gewesen.
    Zur Erinnerung: Das Geld floss letztlich von der Immofinanz an die zypriotische Firma Astropolis von Hochegger. Die Raiffeisenlandesbank Oberösterreich - bzw. ihre hier angeklagten Vertreter - bestreiten bekanntlich jeglichen Geldfluss.
    "Stand für Sie von Anfang an fest, dass die Oberösterreicher die WAG haben wollten?", fragt die Richterin. Meischberger sagt, er habe von Beginn an die Wahrnehmung gehabt, dass die RLB OÖ die WAG haben wollten und die Immofianz an der Buwog interessiert war. Zur Erklärung: Die rund 60.000 Bundeswohnungen, die 2004 zum Verkauf standen, beinhalteten verschiedenen Gesellschaften: der Buwog, ESG Villach, WAG, WBG und EBS. Buwog und ESG verblieben bei der Immofinanz, WAG und EBS erhielten die RLB OÖ und die Wiener Städtische, die WBG ging letztlich an die Eisenbahner-Genossenschaft BWS.
    Dass die ESG Villach "keiner haben wollte", das habe er erst hier im Gerichtssaal erfahren. Er habe damals eher noch an die Wiener Städtische gedacht, da es sich ja um Eisenbahnerwohnungen gehandelt habe und er die Wiener Städtische eher "der linken Reichshälfte" zugeordnet habe. Kurze Anmerkung: Für die ESG Villach hatte sich das Land Kärnten, konkret der damalige (im Wahlkampf befindliche) Landeshauptmann Jörg Haider (FPÖ) im Sommer 2002 ein Vorkaufsrecht gesichert, letztlich davon aber nicht Gebrauch gemacht.
    Wann Hochegger Meischberger gesagt habe, dass die gesamte Provision von der Immofinanz bezahlt werde? "Spätestens im Mai 2005", meint Meischberger, eher Anfang Juni. Warum? "Weil er mir am Beginn des Juni angekündigt hat, dass die erste Tranche überwiesen wird". Die Konsorten hätten sich geeinigt und ein erstes Projekt sei gefunden worden, habe der PR-Profi gemeint.
    "Im Juni hatte er scheinbar schon die Vereinbarung getroffen gehabt, war mit den Zuständigen von der Immofianz in Kontakt", führt Meischberger aus. Weiters habe Hochegger ihm gesagt, dass das Geld nach Zypern fließen werde, an Hocheggers Firma Astropolis. Für Meischberger sei es damit nun darum gegangen, zu organisieren, dass das Geld von Zypern weiter nach Liechtenstein komme - denn dort hatte er, Meischberger, ja seine Konten. Daher habe er den Kontakt mit dem Bankangestellten W. organisiert. Bei letzterem handelt es sich bekanntlich um jenen Banker, den Hochegger in seinem Teilgeständnis erwähnt hatte. Er habe Hochegger demnach einen Zettel gezeigt, wonach die Provision auf Konten für Meischberger, Plech und Grasser aufgeteilt werden sollte. Die Genannten bestreiten das vehement.
    "Er hat gesagt: Die erste Tranche kommt", sagt Meischberger auf eine Nachfrage der Richterin. "Ich kann mich nicht mehr erinnern, wie hoch das war."
    Hochegger habe Meischberger dann auch gesagt, dass er die Astropolis extra dafür gegründet hat. Hier, in der Hauptverhandlung, habe Meischberger erst erfahren, "dass er die schon gehabt hat". Nichtsdestoweniger, betont Meischberger: "Der Dr. Hochegger hat sich in der Sache sehr bemüht." Immer wieder habe er ihn informiert. "Ich bin da überhaupt nicht nervös gewesen." Aber, langsam sei es eben Zeit geworden, dass das Geld fließe, immerhin sei das "Closing" - also die Letztüberprüfung der Privatisierung schon im Oktober 2004 erfolgt.
    Die Richterin fragt nun, wie der Kontakt zwischen Meischberger, Immobilienmakler Plech und Ex-Immofinanz-Chef Petrikovics war. Meischberger meint, Plech habe er sehr gut gekannt - gestern nannte er ihn "väterlichen Freund". Petrikovics sei eine "schillernde Person" in der Immobilienbranche gewesen sei. Er glaube, Petrikovics erstmals bei einer Vernissage getroffen zu haben. Diesen "Business-Cocktail" hatte Plech zu einer jährlichen Veranstaltung gemacht, um seinen Namen bekannter zu machen. Da seien auch immer Künstler gefördert worden. "Im Rahmen der Abwicklung später, wird es wohl zu persönlichen Kontakten gekommen sein - vorher hatte ich überhaupt keine Wahrnehmung über Begegnungen (zwischen Plech und Petrikovics, Anm.), sagt Meischberger.
    Wann dieser Business-Cocktail war? Meischberger meint, wohl immer im Herbst. Und dieser besondere wohl 2004 oder 2005. Die Richterin wundert das, habe Meischberger doch gemeint, es sei vor der Abwicklung der Privatisierung gewesen. "Ich kann das jahrmäßig nicht mehr genau einordnen", sagt Meischbeger. "Es war aber ein Treffen mit australischen Bildern." Warum er das wisse? Weil die Vorbereitungen mit der Überstellung der Bilder für die Familie Plech so kompliziert war. "Kann es sein, dass es im Dezember 2003 war?", fragt die Richterin. Meischberger deutet auf die Unterlagen von Hohenecker: "Schon 2003? Wenn es da steht, wird es da gewesen sein." Er sei über Jahre immer dabei gewesen.
    Ob andere Angeklagte auch dabei waren? Grasser sei wohl 2005 einmal dabei gewesen sein, meint Meischberger. Vielleicht sei auch Hochegger einmal dabei gewesen, da sei er nicht sicher. "Warum wissen Sie, dass er (Grasser, Anm.) 2005 dabei war?", fragt die Richterin. "Es war 2004 oder 2005, weil wir da über seine Hochzeit gesprochen haben", sagt Meischberger, dessen Trauzeuge sei er ja bekanntlich gewesen. Grasser habe 2005 geheiratet.
     
    Meischberger macht weiter mit seiner Aufzählung: Der Bauunternehmer Anton Kallinger "war sicher zugegen - der war überall". Auch der damalige Porr-Chef Horst Pöchhacker, der mittlerweile verstorben ist, sei dabei gewesen.
    Bei Kallinger wird die Richterin hellhörig und fragt nach: Sie habe gestern nicht verstanden, warum sich Meischberger sich von diesem abgewandt und Hochegger zugewandt habe. Sie erinnern sich: Meischbeger hat ausgesagt, dass Kallinger ihm suggeriert habe, dass eine Privatisierung der Bundeswohnungen nahe, er habe ein Konsortium bilden wollen zwischen Immofinanz und RLB OÖ. Nun ergänzt der Angeklagte: Kallinger habe sich bemüht, aber gesagt: "Schriftlich werden wir da nichts zusammenbringen." Meischberger habe daraufhin gemeint, er müsse "aufgrund meiner Vorarbeiten sozusagen die Pferde wechseln". Er habe sich an Hochegger gewandt, da dieser Kontakte zur Immofinanz habe.
    Er habe Hochegger dafür 15 Prozent der in Aussicht gestellten Provision angeboten, sagt Meischberger. Hochegger habe eingewilligt und sich aufgemacht, um seine Kontakte zu kontaktieren.
    Ab herbst 2003 habe sich Kallinger um einen Vertrag mit der RLB OÖ bemüht, zustande gekommen sei nichts, wiederholt Meischberger nun, mit Zahlen versehen. "Nervös worden bin i dann beim Jahreswechsel 2004", sagt Meischberger. Denn: Die unverbindlichen Angebote habe es bereits gegeben, das habe bedeutet, dass bald verbindliche folgen würden. (Wir erinnern uns: Im Juni 2004 fand die erste Bieterrunde statt.) Da habe er darauf gedrängt, dass man das Beratungsengagement schriftlich fixiere.
    Die Richterin konfrontiert Meischberger nun mit Aussagen des mitangeklagten ehemaligen RLB OÖ-Vorstand Georg Starzer. Letzterer habe gemeint, dass man Kallinger nicht gebraucht habe, da der mitangeklagte, aber verhandlungsunfähige damalige RLB OÖ-Chef Ludwig Scharinger das abgedeckt habe (gemeint sind Kontakte nach bzw. Informationen aus Wien). "Ohne den Herrn Dr. Starzer jetzt nahe treten zu wollen: Ich kenne den Herrn Scharinger sehr gut", betont Meischberger. Scharinger habe seine Kontakte sehr gepflegt - auch jene zur FPÖ und zu Haider. Nach der ersten Bieterrunde im Juni 2004, als das Österreich-Konsortium auf Platz zwei kam, sei klar gewesen, dass man - also dass Scharinger - doch wen zur Beratung brauche.
    Richterin Hohenecker fragt nach: "Ich kenne als Bieter mein eigenes Angebot. Es liegt doch auf der Hand, dass ich in einer zweiten Runde nicht weniger bieten werde." Meischberger: "Wieso?" Man wisse ja nicht, was der andere tue. Möglicherweise habe sich die "Zinslage" geändert, oder anderes, da gebe es viele Möglichkeiten. Hohenecker: "Wenn ich doch weiß, dass der Verkäufer so viel wie möglich erhalten möchte. Dass ich nachbessere in einem zweiten Angebot...." "...ist der logische Schritt", vollendet Meischberger. Aber er bleibt dabei: Man wisse ja nicht, wie viele Angebote noch vorliegen würden, rechtfertigt er sein Engagement zwischen den zwei Bieterrunden.
    "Ich glaube, dass die Beratung ganz entschieden zur Akquisition der Oberösterreicher beigetragen hat", sagt Meischberger betont langsam. Sprich: Dass er wiederholt habe, dass in Richtung einer Milliarde geboten werden müsse. Das habe er schon vor der ersten Bieterrunde gesagt, da habe man aber eben nicht darauf hören wollen. Bei der zweiten Chance habe man es getan.
    Die Richterin konfrontiert Meischberger abermals mit einer Aussage von Starzer, wonach es für die Angebote eine rechnerische Grundlage gegeben habe. Meischberger sieht darin keinen Widerspruch: Freilich, es sei "eine strategische Entscheidung: Gehe ich an meine Grenze oder nicht", führt er aus. Soll heißen: "Damals war das eine Szenarienrechnung in die Zukunft, da ist man sicher vorsichtig herangegangen. Heute, 14 Jahre später, kann man, glaube ich, sagen, dass das eine gute Investition war - vor allem für die Immofinanz." Er gehe davon aus, dass man aus heutiger Sicht auch über die Milliarde, in Richtung 1,2, gehen würde.
    "Ich bin da locker mit dem Geld der beiden Unternehmungen umgegangen", meint Meischberger zu seinen persönlichen, damaligen Szenarienrechnungen. Ob er Hochegger das auch so gesagt habe? Meischberger verneint. Zwischen erster und zweiter Bieterrunde sie er geschockt gewesen, dass das Österreich-Konsortium auf Platz zwei gelandet war. Er habe gehofft, dass Haider, der ihn ja angerufen habe, Recht behalten würde und es tatsächlich zu einer zweiten Runde kommen würde.
    "Ich habe Dr. Hochegger sicher zehn- bis 15-mal gesagt, dass das die Entscheidung bringen wird", sagt Meischbeger. Nämlich: Dass rund eine Milliarde geboten werden müsse - "das war schon vor dem ersten Offer für mich fix". Wie oft Hochegger das denn an das Konsortium weitergegeben habe?, fragt die Richterin. "Das weiß ich nicht."
    "Jetzt muss ich noch einmal nachfragen", sagt Hohenecker. Ob Meischberger Hochegger klar gemacht habe, dass eine Milliarde, am besten mehr, geboten werden müsse, damit man ganz sicher gewinne? Meischberger überlegt, dann sagt er: "Diese Überlegungen habe ich getroffen gehabt und mir vorgerechnet und ich glaube, auch mit dem Dr. Hochegger darüber gesprochen." Seiner Ansicht nach sei man mit einem Gebot von einer Milliarde eben "auf der sicheren Seite" gewesen. "Das ist natürlich sehr viel Geld", räumt er ein, aber es sei eben wichtig gewesen, den Zuschlag zu erhalten. Daher habe er bei der zweiten Runde darauf beharrt, dass man auf eine Milliarde gehen müsse: "Bitte an die Milliarde, aber mindestens 960 Millionen."
    Ob er bei Haider nachgefragt habe, woher er wisse, dass mehr als 960 Millionen Euro geboten werden müsse? Meischbeger verneint: "Da fragt man nicht nach." Das hätte Haider "als Majestätsbeleidigung" aufgefasst. Entweder man vertraue oder man vertraue eben nicht. Denn: "Vertrauen, das ist ein Management-Tool." Wie eine "Entkomplizierung eines schwierigen Vorganges." Haider habe er "genau einstufen können", das bedeute: Er wisse um seine Interessen.
    "Aber dann können Sie - wenn Sie ihn so gut kennen - ja auch einschätzen, woher er das wusste", sagt die Richterin. Meischberger will nicht spekulieren, aber er nehme an, dass es wohl aus der Bankenwelt gehabt habe. Er habe nicht nachgefragt. Aber: "Er muss schon am ständigen Stand der Informationen gewesen sein, weil er hat die Zusammenhänge erkannt." Haider sei bestens vernetzt gewesen, vielleicht habe er mehrere Leute kontaktiert.
    "Wen hat der Dr. Haider im Ministerium gekannt?", fragt die Richterin. "Da stellt sich eher die Frage, wen hat er nicht gekannt - da sind wir schneller fertig", kontert Meischberger.
    Zur Erinnerung: Bei der ersten Bieterrunde am 4. Juni 2004 lag die Konkurrenz CA Immo vorne, darüber hätte ihn damals Kärntens Landeshauptmann Jörg Haider (FPÖ) informiert, hat Meischberger schon mehrfach ausgesagt. Ebenso darüber, dass es eine zweite Bieterrunde geben sollte und „über die Höhe der Finanzierungsgarantie“ der CA-Immo" (960 Millionen Euro). Meischberger habe daraufhin sofort Hochegger angerufen, darauf beharrt, dass mindestens 960 Millionen Euro geboten werden müssten, besser aber in Richtung einer Milliarde, und dieser das Konsortium informiert. Wie viel dieses bieten würde, hätte er nicht gewusst. Geboten wurden letztlich vom Österreich-Konsortium 961 Millionen Euro, von der CA Immo 960 Millionen.
    Die Richterin beharrt: Wen könnte Haider gefragt haben? Meischberger meint: viele. Ein Beispiel: "Haider kann auch in der Bank Austria angerufen haben und sagen: 'Ich muss mich mit dem Vorkaufsrecht beschäftigen. Was habt ihr geboten für die ESG?'", meint Meischberger. Aber das sei reine Spekulation. Kleine Ergänzung: Die Bank Austria stand hinter der CA Immo.
    Die Richterin macht einen Themenwechsel - und zwar zu den 200.000 Euro an Provision, die im Zuge des Projektes Terminal Tower geflossen sein sollen. Ob es für so eine Entscheidung die Zustimmung des damaligen RLB OÖ-Chefs Scharinger gebraucht habe? "Da muss ich mich erst fassen", sagt Meischberger, vom Wechsel sichtlich überrascht. Dann meint er: Das sei vorstellbar.
    Worum geht es? Wie beim Buwog-Deal soll auch hier ein „Tatplan“ (bei Privatisierungsprojekten serienweise „mitschneiden“) befolgt worden sein. Und zwar: Grasser soll einen Teil der 200.000-Euro-Provision eingesteckt haben, die für die Einmietung der oberösterreichischen Finanzdienststellen in den Linzer Terminal Tower geflossen sein soll. Meischberger hatte dazu ausgeführt, dass er mit dem Komplex Terminal Tower nur „nebensächlich“ betraut gewesen sei. Konkret habe er sich nur zweimal zwischen Tür und Angel beim damaligen Generalsekretär im Finanzministerium erkundigt, wie es um die Einmietung der Finanzdienststellen in das Linzer Bürogebäude bestellt sei. Die 200.000 Euro, die die Staatsanwaltschaft in diesem Zusammenhang als Schmiergeld anführe, seien etwas ganz anderes gewesen. Nämlich: Die Bezahlung für Meischbergers jahrelange Tätigkeit für die Porr.
    Die Richterin fragt nach den Kontakten von Martin Huber - erst Porr, ab 2004 ÖBB-Chef. Meischberger meint, Huber habe ein gutes Verhältnis zu Pöchhaker gehabt - das dann aber zu einer Feindschaft geworden sei.
    Meischberger fragt nach einer kurzen Pause. Die Richterin sagt, die Pausenregelung obliege ihr, willigt aber doch ein. Die Verhandlung wird unterbrochen.
    Vormittagszusammenfassung
     
    Richterin Marion Hohenecker hat den Zweitangeklagten Walter Meischberger heute Vormittag zu der Millionenprovision befragt, die bei der 2004 erfolgten Privatisierung der Bundeswohnungen geflossen ist. Der "strategische Berater" erläuterte, er sei damals davon ausgegangen, dass die Provision - ein Prozent der Barsumme des Kaufpreises - vom gesamten Österreich-Konsortium (darin befindlich Immofinanz, Raiffeisenlandesbank Oberösterreich, Wiener Städtische) getragen werde. Zuständig für die Abwicklung sei aber der mitangeklagte Lobbyist Peter Hochegger gewesen.
     
    Von letzterem will Meischbeger dann auch erfahren haben, dass nur die Immofinanz überweisen werde - und zwar in mehreren Tranchen, sobald sich passende Projekte finden würden. Das Geld werde dann an Hocheggers zypriotische Firma Astropolis fließen, von dort sollte es weiter auf Konten in Liechtenstein gehen, die Meischberger gehörten, wie er selbst sagte.
     
    Die Provision ist ein Zankapfel im Gerichtssaal: Die mitangeklagten Vertreter der RLB OÖ bestreiten, dass sie auch Geld gezahlt haben. Der frühere Immofinanz-Chef Karl Petrikovics sagte hingegen aus, dass der Provisionsteil der RLB OÖ intern zwischen den beiden Gesellschaften rückverrechnet wurde.
     
    Ein weiteres Thema des Vormittags: Jörg Haider. Meischberger wiederholte, dass er zwischen der ersten und der zweiten Bieterrunde von dem damaligen Kärntner Landeshauptmann angerufen worden war und über den Ausgang der Runde informiert wurde. Das Österreich-Konsortium sei hinter der Konkurrenz, der CA Immo gelegen. Haider habe ihn auch „über die Höhe der Finanzierungsgarantie“ der CA-Immo" (960 Millionen Euro) informiert. Für Meischberger habe sich daher bestätigt, dass "in Richtung einer Milliarde" geboten werden müsse, um den Zuschlag zu bekommen. Das habe er zwar schon vor der ersten Bieterrunde - zehn- bis 15-mal - zu Hochegger gesagt, das Konsortium habe darauf aber offenkundig nicht hören wollen. Nun habe er sehr darauf beharrt, sagt Meischberger: "Bitte an die Milliarde, aber mindestens 960 Millionen." Er räumt ein: "Ich bin da locker mit dem Geld der beiden Unternehmungen umgegangen", doch es sei eben um sehr viel gegangen - und ein sehr guter Deal, insbesondere für die Immofinanz, geworden.
     
    Die Frage, woher Haider seine Informationen hatte, konnte Meischberger nicht beantworten. Der Freiheitliche habe ein riesiges Netzwerk gehabt, meinte er. Nachgefragt habe er freilich nicht, denn das hätte Haider "als eine Majestätsbeleidigung" aufgefasst.
    "Porr", sagt die Richterin unumwunden. "War das eine Frage?", fragt Meischberger. Die Richterin nickt. Meischberger holt aus: ein Baukonzern, einstiger Chef war Karl Pöchhhaker. Letzteren habe er schon aus seiner parlamentarischen Tätigkeit gekannt. Vermutlich 2001 habe Immobilienmakler Plech Meischberger auf Senator Kallinger aufmerksam gemacht, habe gesagt, dass das ein Vertrauter von Pöchhaker war und ein Treffen der beiden vereinbart. Kallinger habe ihn über die Tätigkeit der Porr informiert und gefragt, ob Meischberger bereit wäre, beratend tätig zu werden für die Porr. "Ich glaube, das war im Herbst 2001, spätestens Anfang 2002.)
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